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Stationärer Handel setzt auf Einkaufserlebnis

Stationärer Handel setzt auf Einkaufserlebnis

Stationärer Handel setzt auf Einkaufserlebnis

Shops mit gut ausgebildeten Mitarbeitern behaupten sich im Wettbewerb mit Online-Konkurrenz

Auch die stationären Einzelhändler im Süden Baden-Württembergs spüren längst die Konkurrenz aus dem Internet. Dennoch ist Südbaden im Vergleich zum Bundesdurchschnitt noch gut aufgestellt.

von Holger Hagenlocher

Viele Händler behaupten sich, indem sie besondere Service-Konzepte entwickeln, die kompetente Beratung stärken und den Einkauf als Erlebnis gestalten. Dem Einzelhandel im Landkreis Konstanz kommen zudem eine überdurchschnittliche Kaufkraft sowie zahlreiche Kunden aus der Schweiz zu Gute (siehe Infokasten unten).
Auch bei der für den Einzelhandel relevanten vorhandenen Kaufkraft steht der Landkreis Konstanz laut einer Erhebung des Forschungsinstitut MB-Research zur „Einzelhandelszentralität 2018 in Deutschland“ gut da. Mit einer Kaufkraft von 7.148 Euro pro Kopf ergibt sich im gesamten Landkreis eine einzelhandelsrelevante Kaufkraft von über zwei Milliarden Euro. Im Deutschlandvergleich weist der Landkreis Konstanz einen Einzelhandelskaufkraft-Index von 103,2 und liegt damit über dem Bundesdurchschnitt. 2018 wurde im Einzelhandel im Landkreis Konstanz laut Angaben der IHK ein Umsatz von über 2,07 Milliarden Euro erzielt.

Einkaufsfläche weit über Bundesdurchschnitt

Utz Geiselhart Handelsverband Südbaden
Der Geschäftsführer des Handelverbands Südbadens, Utz Geiselhart, sieht die Städte in der Pflicht, in die Attraktivität der Innenstädte zu investieren.

Wie gut der Handel im Landkreis Konstanz aufgestellt ist, zeigt auch ein Blick auf die vorhandenen Verkaufsflächen. Bundesweit liegt der Durchschnitt der Einkaufsfläche pro Einwohner bei 1,4 Quadratmeter pro Einwohner, in der Region Hochrhein-Bodensee mit dem Landkreis Konstanz liegt der Durchschnitt bei 2,2 Quadratmetern, und in Singen, einer Einkaufsstadt mit großem Einzugsgebiet, bei fast 4 Quadratmetern pro Einwohner und damit weit überdurchschnittlich. Nennenswerte Flächenzuwächse erkennt Utz Geiselhart, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Südbaden, nicht mehr.

Trend zu immer mehr Verkaufsfläche ist gestoppt

„Die Hoch-Zeiten der großflächigen Shopping-Center und Malls waren in den 90er-Jahren“, so der Handelsexperte. Der Trend zu immer mehr Verkaufs-Fläche sei gestoppt und teilweise umgekehrt. Wo große Lücken im Angebot erkennbar seien, würden Shopping-Center noch Sinn machen. Sollte das Produktangebot in einer Innenstadt bereits umfassend vorhanden sein, verlagere sich nach Beobachtung des Branchenkenners lediglich der Umsatz von der Innenstadt ins Center.

Kommunen sind bei Einkaufsatmosphäre gefördert

Im Wettbewerb mit der stärker werdenden Online-Konkurrenz setzt der Einzelhandel immer mehr auf die Einkaufsatmosphäre. Dabei gilt es, dieses positive Einkaufserlebnis nicht nur im Laden selbst, sondern auch beim Bummeln und Shoppen in der Innenstadt zu erleben. Wichtig für lebendige Innenstädte sind entsprechend Stadtgestaltung, Ambiente, Flair, Vielfalt im Handel und im gastronomischen Angebot. „Dazu gehören auch eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur und entsprechende Parkmöglichkeiten“, so Handelsverbandsgeschäftsführer Geiselhart. Nervtötende Autoschlangen, zu kleine Parkplätze für SUV’s und lange Fußwege würden das Einkaufserlebnis entsprechend mindern.
Damit der Einzelhandel grundsätzlich zukunftsfähig bleibe, sollte er sich, nach Ansicht Geiselharts, auf wesentliche Punkte konzentrieren.

Handel braucht emotionalen Ladenbau

„Der Handel braucht einen emotionalen Ladenbau. Der Kunde muss gerne bei ihm einkaufen und sich wohlfühlen. Dazu gehört auch ein angenehmes Einkaufsumfeld, wobei auch die Kommunen gefordert sind. Denn die Gesamtattraktivität der Innenstädte wird zunehmend wichtiger“, so Geiselhart. Dass der Einzelhandel, wie manche Studien prognostizieren, sich zum Showroom für den Online-Handel wandeln, kann der Handels-Experte nicht bestätigen.

Mitarbeiter machen den Unterschied

“Die Mitarbeiter machen den Unterschied. Wer gut geschulte und motivierte, serviceorientierte Mitarbeiter hat, hat der reinen Online-Konkurrenz einiges voraus”, bezieht Geiselhart klar Position und ergänzt: „Die vielfältigen Serviceleistungen vom stationären Handel aktiv kommuniziert und nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden.” Nach dem Motto „Tue Gutes und rede darüber“ müsse der Kunde erkennen, so Geiselhart, dass der stationäre Handel viele Vorteile im Vergleich zur reinen Internetbestellung biete.
Im Seemaxx Outlet Center in Radolfzell sind alle Flächen voll vermietet. So zeigen sich die Center-Manager Tatjana Grötzinger und Oliver Castek grundsätzlich zufrieden. Insgesamt sei eine leichte Umsatzsteigerung zu verzeichnen. In der Summe der einzelnen Shops im Center hätten sich die Umsätze positiv entwickelt, so Grötzinger. Dennoch gab es bei den einzelnen Marken unterschiedliche Entwicklungen.

Seemaxx Outlet Center Radolfzell am Bodensee
Seemaxx Outlet Center Radolfzell
Foto: hesta / Kuhnle&Knoedler

Sinkende Markenvorlieben als Herausforderung im Wettbewerb

Aus Sicht von Co-Manager Castek gibt es verschiedene Punkte, die zum Erfolg eines Stores beitragen: „Wenn der Store Manager gut arbeitet, funktioniert auch der Laden. Die Kombination aus Außendarstellung, Ladenbau, der Kompetenz des Personals, der Marke und des Produkts an sich sind die entscheidenden Faktoren“, so Castek, der bereits zur Eröffnung des Seemaxx Centers im Oktober 2006 in Radolfzell aktiv war. Eine Besonderheit des Outlet-Geschäfts sei laut Castek auch die Bedeutung der Verfügbarkeit der Produkte für den Erfolg eines Stores. Wie entscheidend diese Faktoren sind, zeige sich auch darin, dass Markenvorlieben heute nicht mehr so ausgeprägt seien als früher, so der Handelsprofi.

Seit 2011 ist Grötzinger verantwortlich im Seemaxx und hat beobachtet, dass angesichts der Online-Konkurrenz aus dem Internet es einer guten Kommunikationsstrategie benötige, erklärt sie. „Die Marke muss in allen digitalen Kanälen präsent sein. Daneben spielt die Aufenthaltsqualität eine entscheidende Rolle“, so Grötzinger, zu der das Seemaxx aktiv beitrage.
„Sollte ein Shop hier Defizite aufweisen, intervenieren wir mit Gesprächen und Beratung“, bestärkt Castek diesen Ansatz.

Digitale Lösungen in Shops sind Trend der Zukunft

„Grundsätzlich sind die Kunden durch das Internet informierter und anspruchsvoller, wenn sie den Laden betreten. Deshalb sind gut geschulte Mitarbeiter, die kompetent beraten können, im Wettbewerb mit dem Online-Handel wichtig.“ Auch die Digitalisierung spiele zukünftig eine wichtige Rolle. Digitale Lösungen, wie zum Beispiel Großdisplays zur Kundenberatung, ausgestattet mit Sensoren zur Messung der Konfektionsgröße seien die Trends der Zukunft.
Vom Einzelhandel in Radolfzell wurde die Ansiedlung des Outlet Centers der Hesta Beteiligungs-GmbH mit viel Skepsis beäugt. Heute, mehr als zwölf Jahre nach der Eröffnung, zeigt sich, dass rund 50 Prozent der Outlet-Kunden auch in die Stadt gehen, um dort zu bummeln und einzukaufen, erklärt Center-Managerin Grötzinger: „Als Teil der Aktionsgemeinschaft beteiligen wir uns auch aktiv an den verkaufsoffenen Sonntagen und anderen Aktionen.“
Dass der Einzelhandel und die Gastronomie in Radolfzell vom Outlet Center profitiert, liegt sicher an der fußläufigen Erreichbarkeit der Innenstadt sowie der guten Parkplatzsituation am Seemaxx. Auch scheint in Radolfzell die Abhängigkeit vom Franken-Kurs weniger entscheidend zu sein, als in den Städten in Grenznähe: „Erhebungen zeigen, dass wir überwiegend deutsche Kundschaft haben“, so Grötzinger. Ein interessanter Aspekt dabei sei, dass aufgrund des Tourismus es im Vergleich zu anderen Regionen eine anti-zyklische Umsatzentwicklung gebe, ergänzt Castek. „In den Hochsommer-Monaten werden sehr gute Umsätze erzielt.“

Wertige Produkte und emotionale Präsentation als Erfolgsfaktoren

Die beiden Center-Manager sind sich einig, dass der stationäre Handel weiterhin erfolgreich sein wird, wenn er sich auf seine Stärken konzentriert und die Produkte wertig, gut und emotional präsentiert werden.

 

Wie abhängig ist der Einzelhandel von den Schweizer Kunden?
Bertram Paganini IHK-Hochrhein-Bodensee
“Kaufkraft-Zuflüsse aus der Schweiz verzeichnen neben Konstanz vor allem im Drogerie- und Lebensmittelbereich alle grenznahen Städte und Gemeinden, wie zum Beispiel Gottmadingen, Rielasingen-Worblingen, Hilzingen, Gailingen oder Öhningen.”, so Bertram Paganini IHK-Hochrhein-Bodensee.

Der gesamte Kaufkraftzufluss aus der Schweiz in die IHK-Region Hochrhein-Bodensee (Landkreise Konstanz, Lörrach und Waldshut) lag 2016 noch bei etwa 1,6 Mrd. Euro und dürfte aufgrund der Wechselkurssituation, der günstigeren Preise in der Schweiz und des Onlinehandels seither moderat, aber stetig zurückgehen.“, erklärt Bertram Paganini, Handelsreferent der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee (IHK). Den stärksten Kaufkraftzufluss aus der Schweiz erfährt die Stadt Konstanz. Hier dürfte der Schweizer Umsatzanteil am Gesamtumsatz der Stadt 35 bis 40 Prozent betragen. In Singen hat sich der Kaufkraftstrom aus der Schweiz in den letzten Jahren verstärkt und dürfte über alle Sortimente hinweg einen Umsatzanteil von 20 bis 25 Prozent erreicht haben. Weitere Zuflüsse, vor allem im Drogerie- und Lebensmittelbereich, verzeichnen alle grenznahen Städte und Gemeinden, wie zum Beispiel Gottmadingen, Rielasingen-Worblingen, Hilzingen, Radolfzell, Gailingen oder Öhningen.

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