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Corona-Krise zeigt den Stand der Digitalisierung

Corona-Krise zeigt den Stand der Digitalisierung

Noch viele Baustellen auf dem Weg der digitalen Transformation

Was seit Jahren im Gespräch ist, wird nun schlagartig relevant. Die Corona-Krise zwingt Mitarbeiter ins Homeoffice und zu virtuellen Meetings. Wie in einem Durchlauferhitzer wurde die digitale Transformation der Arbeitswelt vollzogen – in öffentlichen Institutionen, in den Unternehmen und in privaten Haushalten. Dabei wurde an vielen Stellen deutlich, wie New Work, die Arbeit der Zukunft aussehen wird, aber auch, dass es hinsichtlich der technischen Umsetzung der Digitalisierung noch viel Nachholbedarf gibt.

Das Land war im Schockzustand. Die Regierung verhängte Kontaktsperren und verordnete, wo immer möglich, den Rückzug in die eigenen vier Wände. Unternehmen, Institutionen, Schulen und andere öffentliche Einrichtungen sahen sich einer Situation gegenüber, auf die die meisten nicht vorbereitet waren.

Videokonferenzen boomen

Die Corona-Krise zeigt einmal mehr, wie wichtig eine flächendeckende digitale Infrastruktur in Deutschland ist. Netzbetreiber betonen gleichermaßen, dass alle Netze mit der zusätzlichen Belastung durch Homeoffice und Videokonferenzen gut zurecht- kommen. Doch das gilt nur für die Regionen, in denen ein schneller Internetanschluss tatsächlich verfügbar ist. Wer jetzt noch in einem Gebiet lebt, wo es keine Breitband-Versorgung gibt, kann womöglich nicht von Zuhause im Firmennetzwerk arbeiten. Denn vor allem Videokonferenzen über Anbieter wie Skype, Teams, Zoom oder Webex sind gefragt wie nie.

Dazu kommt, dass die Anzahl der Nutzer von Online- und Cloud-Ga- ming-Plattformen sich nahezu ver- doppelt hat. Während Netzbetreiber sich als Folge des erhöhten Traffics um das Gesamtvolumen des Da- tenverkehrs sorgen und Anbieter von Streamingdiensten, wie Netflix, Amazon Prime Video und Youtube den Datendurchsatz durch eine gerin- gere Auflösung reduzieren müssen, sind die einzelnen Nutzer vor allem von der Qualität ihres eigenen Inter- netzugangs abhängig.

Die letzte Meile ist der Knackpunkt

Ein Knackpunkt ist dabei die sogenannte letzte Meile, also der Weg vom Verteilerkasten in die einzelnen Haushalte. Ein Vergleich mit einer Wasserleitung macht deutlich, um was es geht: Das Wasser fließt durch ein großes Rohr zu einem örtlichen Verteiler, von dort aus mit kleineren Rohren in die einzelnen Häuser, bevor es dann durch ein dünnes Rohr im Haushalt aus dem Wasserhahn kommt. Das Glasfaserkabel ist in diesem Vergleich das dickste Rohr. FTTH (Fibre To The Home – Glasfaseranschluss bis in die letzte Wohneinheit) bedeutet, dass die beste Datenleitung direkt bis ins Haus oder die Wohnung geführt wird. Hieran wird deutlich, dass der Zugang zu schnellem Internet auch entscheidend für den Vollzug der digitalen Transformation ist.

Digitalisierung - Breitbandkabel an Verteilerkasten - Glasfaser
Digitalisierung – Breitbandkabel an Verteilerkasten – Glasfaser

Die meisten Internetanschlüsse kommen aber noch aus dem DSL- oder Kabelnetz. DSL nutzt für die letzte Meile Kupferkabel, das eine deutlich geringere Bandbreite als Glasfaser hat. VDSL kann aktuell Bandbreiten bis zu 250 Megabit pro Sekunde an- bieten, bei Glasfaser sind es 1.000 Megabit und mehr. Zukünftig werden noch mehr Menschen im Homeoffice arbeiten, Videokonferenzen durch- führen und Streamingdienste nutzen. Eine Breitband-Glasfaserverbindung bietet dazu die beste Voraussetzung.

Digitalisierung: Nachholbedarf an vielen Stellen

Wo Deutschland in Sachen Digitalisierung wirklich steht, zeigen zahl- reiche Beispiele. Da Bürgerämter aufgrund der Corona-Krise vielfach zu bleiben, können Verwaltungsleistungen nur eingeschränkt angeboten werden. Statt digitaler Dienstleistungen scheint das Online-Angebot im öffentlichen Sektor bei Terminvereinbarungen und Anträgen auf Wunschkennzeichen stehengeblieben zu sein.

Auch in privaten Unternehmen zeigt sich ein geteiltes Bild. So berichtet Kurt Jäger vom Stuttgarter Internet eXchange (S-IX), dass von Unter- nehmen in größeren Mengen VPN- Zugänge nachgefragt werden. Die Zunahme der Nachfrage nach VPN- Zugängen zeigt, dass Unternehmen bisher noch unzureichend auf die Datenkommunikation mit Nutzern vorbereitet waren, die außerhalb der vier Wände des Unternehmens oder der Institution arbeiten. VPN steht dabei für Virtual Private Network und bedeutet eine Verbindung mit einem in sich geschlossenes Netz, das vom öffentlichen Internet nicht zu erreichen ist. So haben die Mitarbeitenden auch aus dem Homeoffice Zugriff auf alle für ihre Arbeit relevanten Daten.

Videokonsultation statt Sprechstunde: Digitalisierung des Gesundheitswesens

Im Gesundheitswesen zeigt sich ein ähnliches Bild. Gerade in Zeiten des Corona-Virus kann eine Online-Sprechstunde Arztpraxen entlasten, aber vor allem die weitere Verbreitung des Virus eindämmen und da- mit Menschenleben gerettet wer- den. Schon seit 2018 ist die virtuelle Sprechstunde in Deutschland auch ohne einen persönlichen Erstkontakt zwischen den Patienten und dem Arzt erlaubt. Doch die Methode der Videokonsultation des Arztes ist bislang nicht in die Gänge gekommen, weil weder endgültige Regelungen zum E-Rezept noch zu E-Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen umgesetzt wurden.

Schulen noch ganz am Anfang

Aufgrund der Schulschließungen werden Schülerinnen und Schüler per E-Mail mit Unterrichtsmaterial versorgt. Einige Schulen schnüren auch noch Papierpäckchen, um Lernstoff zu verbreiten. Im Zeitalter der weltweiten Digitalisierung erscheinen diese Zustände wie ein Film aus alten Zeiten. Die Folge: Radiosender suchen Unternehmen, die die Hausaufgaben für die Schülerinnen und Schüler ausdrucken, weil private Haushalte hierbei an ihre Grenzen kommen. Während smartes Home Entertainment, wie Spiele-Konsolen und Streaming Dienste längst den Einzug in viele private Haushalte gefunden haben, ist die Vernetzung von Schulen und Schülern sowie deren Kommunikation eher rück- ständig. Nachbarländer machen uns zum Teil vor, wie sie mit der neuen Situation umgehen. Schüler lernen in der Cloud und auf Lernplattformen, haben schon seit Jahren Apps, die ihre gesamte schulische Laufbahn abwickeln.

Geblendet vom hellen Schein

Es wird deutlich, dass deutsche Schulen bei der Digitalisierung zu- meist noch immer am Anfang stehen. Das virtuelle Klassenzimmer ist für viele noch weit entfernt. Oft wur- den auch falsche Prioritäten gesetzt. Geblendet vom hellen Schein eines amerikanischen Technologieriesens aus Cupertino werden Schulen mit schicken Tablets ausgestattet, die nicht mit anderen Anbietern kompatibel sind. Damit begeben sie sich nicht nur in technologische Geiselhaft, sondern forcieren zudem die digitale Spaltung, weil sich viele Fa- milien die teuren Geräte mit dem Apfel nicht leisten können. Hat man einmal das System dieses Anbieters, dann gibt es fortan kaum Möglichkei- ten auf marktgerechte Alternativen auszuweichen. Der Weg zum markenunabhängigen virtuellen Klassenzimmer ist damit erschwert und ein Hemmschuh zur weiteren Entwicklung.

Digitalisierung kein Selbstzweck

Es offenbart sich, dass Digitalisierung kein Selbstzweck ist. Sie ist nicht nur in Krisenzeiten Voraussetzung für die Weiterentwicklung des gesellschaftli- chen und wirtschaftlichen Lebens und somit auch Teil der Daseinsvorsorge. Dezentrales Arbeiten wird die Regel und es erfordert Kreativität, technische Möglichkeiten auszuprobieren. Der flächendeckende Glasfaserausbau, ohne weiße Flecken in der Fläche, ist die Voraussetzung, dass Videokonferenzen, Cloudlösungen, digitale Plattformen, Virtual- und Augmented-Reality-Anwendungen nicht nur im Krisenfall zum Einsatz kommen.

Dieser Beitrag ist ursprünglich 2020 in der Breitband-Post, Ausgabe I-2020, des Zweckverbands Breitbandversorgung Landkreis Esslingen erschienen.

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