Warum Politik mutiger werden muss
Interview mit Inkeri Klomsdorf, Bundestagskandidatin von Volt im Wahlkreis Aalen-Heidenheim und Spitzenkandidatin von Volt in Baden-Württemberg,
Frau Klomsdorf, herzlichen Dank, dass Sie sich im Wahlkampf Zeit für ein Gespräch nehmen. Viele kennen VOLT als pro-europäische Partei, doch noch nicht alle sind mit den Inhalten der noch jungen Partei vertraut.
Fangen wir mit Ihnen an: Was hat Sie bewogen, sich für VOLT zu engagieren, und wie lange sind Sie schon dabei?
Inkeri Klomsdorf: Ich bin schon lange politisch interessiert, aber habe nie eine Partei gefunden, die wirklich zu meinen Vorstellungen passt. Volt hat mich sofort überzeugt, weil hier Politik nicht nur aus nationaler Perspektive gedacht wird, sondern europäisch. Wir brauchen dringend pragmatische und wissenschaftsbasierte Lösungen, die über ideologische Grenzen hinausgehen. Seit ich 2023 bei Volt aktiv bin, habe ich unzählige motivierte Menschen getroffen, die wirklich etwas bewegen wollen. Diese positive Energie braucht es viel mehr in der Politik!
Wie beeinflusst Ihre berufliche Erfahrung Ihre politische Arbeit?
Klomsdorf: Ich leite das Digitalportfolio eines großen Konzerns und habe zuvor bei ZEISS verschiedene strategische und operative Funktionen übernommen. Das hat mir gezeigt, wie wichtig digitale Transformation und Innovationsförderung sind. Meine berufliche Erfahrung hilft mir, wirtschaftliche Herausforderungen aus der Praxisperspektive zu betrachten und praxistaugliche politische Lösungen zu erarbeiten.
Ein Blick auf das Private: Wer ist Inkeri Klomsdorf außerhalb der Politik?
Klomsdorf: Ich bin 41 Jahre alt, lebe mit meiner Familie und mehreren Tieren auf dem Land bei Aalen. Ich spreche fünf Sprachen und bin in einer selbstständigen Familie aufgewachsen, was mich sehr geprägt hat. Auch mein Mann ist Unternehmer. Ich liebe es, mich mit neuen Ideen auseinanderzusetzen und bin eine leidenschaftliche Verfechterin von Zusammenarbeit und Chancengerechtigkeit.

Wie würden Sie VOLT als Partei charakterisieren?
Klomsdorf: Volt ist eine progressive, paneuropäische Partei. Wir setzen uns für Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz ein. Dabei legen wir großen Wert auf evidenzbasierte Politik und eine neue politische Kultur, die auf Zusammenarbeit statt Spaltung setzt. Wir denken nicht in klassischen Links-Rechts-Schemata, sondern lösungsorientiert und europäisch. Ein besonderes Augenmerk setzen wir dabei auf Best Practices, also darauf, die besten bestehenden Lösungen aus ganz Europa aufzugreifen, um sie für unsere Herausforderungen vor Ort zu adaptieren, statt das Rad immer wieder neu zu erfinden.
Ihre Spitzenkandidatin im Bundestagswahlkampf, Maral Koohestanian ordnete VOLT im Interview mit Tilo Jung von „Jung und naiv“ zwischen den Grünen und den Linken ein. Dabei finden sich im Wahlprogramm auch viele marktwirtschaftliche und wirtschaftsliberale Aspekte. Ist VOLT tatsächlich eine linke Partei?
Klomsdorf: Nein. Volt ist in erster Linie pragmatisch und lösungsorientiert. Wir orientieren uns an Menschenrechten, Demokratie und Chancengleichheit, aber setzen auch auf wirtschaftliche Innovationskraft und technologischen Fortschritt. Unser Ziel ist es, eine gerechtere und leistungsfähigere Gesellschaft zu schaffen, in der jeder und jede ihr volles Potential ausschöpfen kann.
Sie treten als Direktkandidatin im Wahlkreis Aalen-Heidenheim an. Was macht Ihre Region besonders, und welche Themen liegen Ihnen vor Ort besonders am Herzen?
Klomsdorf: Ostwürttemberg ist eine wirtschaftlich starke Region mit einem hohen Innovationspotenzial. Ich sehe große Chancen, insbesondere im Bereich Digitalisierung und Fachkräftesicherung. Wir müssen den Bürokratieabbau aktiv angehen und dafür sorgen, dass mittelständische Unternehmen sowie Start-ups bessere Rahmenbedingungen erhalten. Das größte Potential liegt aber in den Menschen selbst und einem fairen Zugang zu Bildung. Chancengleichheit ist Innovationstreiber, denn je mehr ihr volles Potential ausschöpfen können, desto besser geht es uns allen.
Welche politischen Schwerpunkte setzen Sie persönlich?
Klomsdorf: Besonders am Herzen liegt mir der Bürokratieabbau durch Digitalisierung. Ich möchte moderne Verwaltungsprozesse sowie eine digitale Infrastruktur fördern, die Behördengänge vereinfacht und Kosten spart. Estland macht beispielsweise seit Jahren vor, wie das möglich ist. Ebenso setze ich mich für bessere Bildungssysteme ein, um jungen Menschen und Fachkräften echte Zukunftsperspektiven zu bieten und mehr Chancengleichheit zu schaffen. Das beginnt bei der Frühförderung und geht bis zu lebenslangem Lernen. Ein weiteres Kernthema ist für mich die Förderung von Innovationen. Wir haben viele innovative motivierte Menschen, die von Ideen nur so sprudeln, viel zu oft aber in Deutschland ihre Ideen nicht umsetzen können, weil die Rahmenbedingungen nicht passen. Das will ich ändern.
Für VOLT engagieren sich überdurchschnittlich viele junge Menschen. Was macht die Partei für diese Zielgruppe so attraktiv?
Klomsdorf: Junge Menschen schätzen, dass wir mutig und optimistisch in die Zukunft blicken und eine positive Vision von Europa aufzeigen, wo es hingehen könnte, anstatt den Status quo nur zu verwalten. Wir wollen keine Rückkehr in eine vermeintlich „gute alte Zeit“, sondern Perspektiven für morgen schaffen. Themen wie Klimaschutz, digitale Verwaltung und soziale Gerechtigkeit sprechen besonders die jungen Generationen an. Aber wir sind keine Jugendbewegung – wir stehen für alle Generationen, die mutige Veränderungen und eine bessere Zukunft wollen.
Viele Erstwähler:innen sind politikverdrossen oder ziehen extreme Parteien in Betracht. Was sagen Sie diesen jungen Menschen?
Klomsdorf: Ich verstehe die Frustration. Aber die Antwort kann nicht sein, sich in die Arme populistischer Parteien zu werfen, die keine echten Lösungen bieten. Volt steht für eine zukunftsgewandte, mutige und evidenzbaierte Politik, die darum bemüht ist, bereits bestehende Lösungen für aktuelle Herausforderungen aus ganz Europa aufzugreifen. Das kommt an. Uns ist aber auch wichtig, dass junge Menschen Gehör finden.. Deshalb bemühen wir uns aktiv darum, junge Menschen von Anfang an in unsere Parteiarbeit einzubinden und gleichberechtigt in unsere politische Arbeit zu integrieren.
In einem TikTok-Video polemisiert eine VOLT-Aktivistin gegen alte weiße Männer. Diskriminiert eine Partei, die sich aktiv für Diversität und gegen Diskriminierung einsetzt, diese Wählergruppe?
Und werden grundsätzlich die älteren Generationen, die die Mehrheit des Wahlvolks ausmachen, von einer jungen Partei wie VOLT ausreichend repräsentiert?
Klomsdorf: Absolut. Ältere Menschen profitieren genauso von unseren Konzepten – zum Beispiel, wenn wir die Pflegekosten senken, Altersarmut bekämpfen oder den öffentlichen Nahverkehr ausbauen. Unsere Politik ist generationenübergreifend, weil wir den Zusammenhalt in der Gesellschaft stärken wollen.
Wie soll VOLT seine sozialen Versprechen finanzieren?
Klomsdorf: Durch eine intelligente Kombination aus Digitalisierung, wirtschaftlicher Innovationsförderung und effizienterem Mitteleinsatz. Digitale Verwaltung kann Milliarden sparen, Start-ups benötigen bessere Rahmenbedingungen, und eine moderne Steuerpolitik kann nachhaltiges Wachstum fördern.
Welche Rolle spielt Europa in Ihrer Politik?
Klomsdorf: Etwa die Hälfte der in Deutschland beschlossenen Gesetze beruhen schon heute auf EU-Vorgaben. Europa spielt also grundsätzlich in der Politik eine große Rolle, auch wenn es nur selten so benannt wird. Bei Volt nimmt es jedoch auch abseits davon eine entscheidende Rolle ein. Wir setzen uns für eine konsequente Fortsetzung der europäischen Integration ein, denn nur gemeinsam können wir globale Herausforderungen lösen. Wir wollen daher ein stärkeres Europäisches Parlament, eine europäische Polizei und eine gemeinsame Verteidigungspolitik. Mittelfristig wollen wir eine europäische Republik, mit starken, demokratisch legitimierten Institutionen.
Europa wird momentan zerrieben zwischen autoritären Staaten wie Russland und China sowie einer USA, in der momentan viele demokratische Regeln ausgehebelt werden.
Wie sieht aus Ihrer Sicht die Zukunft Europas und die Rolle Europas in der Welt aus?
Klomsdorf: Europa steht vor enormen Herausforderungen, doch gleichzeitig bietet sich uns die Chance, als geeinte und demokratische Kraft eine stabilisierende Rolle in der Welt einzunehmen. Volt setzt sich für eine tiefere europäische Integration ein, um die geopolitische Handlungsfähigkeit der EU zu stärken. Unsere Vision ist eine europäische Republik mit einem handlungsfähigen Europäischen Parlament, einer durch das Parlament gewählten Regierung und der Abschaffng des Veto-Rechts im europäischen Rat..
Gleichzeitig müssen wir uns strategisch unabhängig machen, indem wir unsere Wirtschafts- und Energiepolitik auf Resilienz und Nachhaltigkeit ausrichten. Eine gemeinsame europäische Außen- und Sicherheitspolitik, inklusive einer europäischen Armee sind essentiell, um unsere demokratischen Werte gegen äußere Bedrohungen zu verteidigen und eine eigenständige Rolle einzunehmen.
Die Zukunft Europas liegt in einer engeren Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten, einer konsequenten Wahrung demokratischer Prinzipien und einem strategischen Umgang mit autoritären Regimen. Nur so kann Europa als globaler Akteur bestehen und eine Alternative zu rein machtpolitischen Interessenlagen bieten.
Zum Abschluss noch ein Statement: Warum sollten Menschen VOLT ihre Stimmen geben?
Klomsdorf: Volt steht für eine pragmatische, lösungsorientierte Politik, die sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen und europäischer Zusammenarbeit orientiert. Wer eine Partei möchte, die Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz konsequent vorantreibt, findet in Volt eine echte Alternative. Wir bieten neue Perspektiven für die Politik und setzen auf Transparenz, Beteiligung und nachhaltige Innovationen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Gespräch führte Holger Hagenlocher (Redaktionsbüro Hagenlocher)
