Die Integration von Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung in HR-Prozesse markiert den Beginn einer neuen Ära im Personalwesen. Diese Technologien versprechen, HR-Abteilungen effizienter, strategischer und datengesteuerter zu machen. KI und Automatisierung sollen die Art und Weise, wie Unternehmen ihre wertvollste Ressource – ihre Beschäftigten – verwalten, entwickeln und einsetzen revolutionieren. Technologien transformieren die traditionellen HR-Prozesse und versprechen eine effizientere, datengesteuerte und personalisiertere Herangehensweise an das Personalmanagement.
Entsprechend müssen HR-Abteilungen bereit sein, sich anzupassen und weiterzuentwickeln. Nur so können sie die Chancen dieser neuen Technologien voll ausschöpfen und gleichzeitig die Herausforderungen bewältigen, die sie mit sich bringen.
von Holger Hagenlocher
Chancen des Wandels
“Bei der Automatisierung wandelt sich die Rolle des zuständigen Mitarbeiters vom Ausführenden zum Verifizierenden. Routineausgaben werden vorbereitet, der Verifizierende prüft und gibt frei”, beschreibt Sebastian Fruchtzweig, Inhaber und Geschäftsführer des KI-Beratungsunternehmens Fruchtzweig & Fischer in Herdwangen-Schönach, den Wandel der Tätigkeitsprofile.
“Richtig angewandt können Tätigkeiten, die bisher von Fachkräften ausgeführt werden mussten, durch geringer qualifizierte Arbeitskräfte durchgeführt werden. Gerade hinsichtlich des Fachkräftemangels ein wunderbares Werkzeug, um diesen Personenkreis in Arbeit zu bringen”, betont er auch die Vorteile in Bezug auf den Fachkräftemangel.
Die Automatisierung administrativer Aufgaben
Einer der offensichtlichsten Vorteile der Automatisierung im HR-Bereich ist die Effizienzsteigerung bei administrativen Aufgaben. Moderne HR-Systeme können Routineaufgaben wie Gehaltsabrechnungen, Urlaubsanträge und Anwesenheitsnachverfolgung mit minimaler menschlicher Intervention abwickeln. Dies ermöglicht es HR-Fachleuten, sich auf strategischere Aspekte ihrer Arbeit zu konzentrieren.
“Bereiche wie Lohnabrechnung oder Urlaubsanträge bieten sich für eine KI-gesteuerte Automatisierung an. Da die Zeiterfassung wieder flächendeckend vorgeschrieben ist, können alle relevanten Daten automatisiert an die Lohnabrechnung übermittelt werden, wobei Zuschläge für Überstunden, Wochenendarbeit, Schichtbetrieb oder Arbeit am Feiertag automatisch berücksichtigt werden”, so Fruchtzweig.
Der Experte beschreibt auch, wie wichtig die KI bei der Fehlererkennung ist: “Die KI kann unübliche Muster, die von der Regel abweichen erkennen und schlägt automatisch Alarm, wenn offensichtliche Fehleingaben oder Fehlverhalten ins System eingehen. Gerade beim Erkennen von abweichendem Verhalten übernimmt die KI eine wichtige Kontrollfunktion.”
Von der Kandidatenauswahl bis zur Vertragsunterzeichnung
Im Bereich des Recruitings haben automatisierte Bewerber-Tracking-Systeme (ATS) die Art und Weise, wie Unternehmen Talente finden und einstellen, grundlegend verändert. Diese Systeme können große Mengen an Bewerbungen effizient verarbeiten, Lebensläufe nach spezifischen Kriterien sortieren und qualifizierte Kandidaten automatisch an die zuständigen HR-Mitarbeiter weiterleiten. In Zukunft könnten wir sogar eine vollständige Automatisierung des gesamten Bewerbungsprozesses erleben – von der Stellenausschreibung bis zur Vertragsunterzeichnung.
“Bei Stellenbesetzungen kann die KI bereits jetzt die eingehenden Bewerbungen vorqualifizieren, an den internen Ansprechpartner weiterleiten und, falls gewünscht, automatisiert eine Einladung an die bewerbende Person aussenden. Somit wird der Prozess der Prüfung deutlich verkürzt und der Bewerber erhält bereits nach kurzer Zeit eine Rückmeldung – im Optimalfall mit einer Einladung”, so Fruchtzweig. “Der Termin wird ebenso automatisiert in den Kalendern aller relevanten Ansprechpersonen im Unternehmen nach vorheriger Prüfung der Verfügbarkeit automatisch vermerkt.”
KI revolutioniert die Talentakquise
Während Automatisierung die Effizienz steigert, bringt KI ein neues Niveau der Intelligenz und Vorhersagefähigkeit in den HR-Bereich. Im Recruiting-Prozess kann KI beispielsweise nicht nur Lebensläufe analysieren, sondern auch potenzielle Kandidaten auf sozialen Netzwerken oder Job-Plattformen identifizieren. Noch beeindruckender ist die Fähigkeit der KI, basierend auf historischen Erfolgsdaten vorherzusagen, welche Kandidaten am besten zum Unternehmen passen würden.
Bewerbungsgespräche mit Chatbots
Einige Unternehmen experimentieren bereits mit KI-gesteuerten Chatbots, die im Erstkontakt erste Interviews durchführen können. Diese Technologie verspricht, den Auswahlprozess zu beschleunigen und gleichzeitig eine konsistentere und objektivere erste Bewertung der Kandidaten zu ermöglichen.
Personalisierte Mitarbeiterentwicklung durch KI
Im Bereich der Personalentwicklung eröffnet KI völlig neue Möglichkeiten für individualisiertes Lernen und Wachstum. Adaptive Lernsysteme, die von KI gesteuert werden, können den Lernfortschritt eines Beschäftigten in Echtzeit analysieren und den Inhalt entsprechend anpassen. Wenn ein Beschäftigter in bestimmten Bereichen schneller lernt, kann das System vorschlagen, sich auf neue Themen zu konzentrieren, während es bei Schwächen zusätzliche Unterstützung bietet.
Individuell angepasste Schulungsprogramme
KI kann auch personalisierte Lernempfehlungen geben, basierend auf dem Jobprofil, bisherigen Kursen und Leistungen eines Mitarbeiters. Dies stellt sicher, dass jeder Mitarbeiter genau die Schulungen erhält, die er zur Erfüllung seiner Aufgaben und Karriereziele benötigt. Darüber hinaus kann KI durch die Analyse von Unternehmensdaten zukünftige Kompetenzanforderungen vorhersagen und so die strategische Personalentwicklung unterstützen.
KI-Experte Fruchtzweig unterstreicht die Bedeutung von KI im Onboarding-Prozess: “Im Onboarding-Prozess kann von der KI für jeden Einsteiger ein individuelles Onboarding-Programm von der KI zusammengestellt werden, das alle relevanten Inhalte enthält, um ein optimales Einarbeiten zu gewährleisten.”
Beschäftigtenbindung und Fluktuation im Fokus der KI
Ein weiterer Bereich, in dem KI signifikante Fortschritte macht, ist die Prognose der Stärke der Mitarbeiterbindung und der zu erwartenden Fluktuation. KI-Systeme können Beschäftigtendaten analysieren, um vorherzusagen, welche Mitarbeiter möglicherweise kündigen könnten. Diese Vorhersagen basieren auf einer Vielzahl von Faktoren, darunter Arbeitsleistung, Zufriedenheit und Verhaltensmuster.
In Zukunft könnten diese Systeme noch proaktiver werden und automatisch Maßnahmen zur Verbesserung der Mitarbeiterbindung einleiten. Dies könnte personalisierte Entwicklungsmöglichkeiten, Beförderungen oder andere Anreize umfassen, die speziell auf die Bedürfnisse und Motivationen einzelner Mitarbeiter zugeschnitten sind.
Förderung von Diversität und Inklusion
KI spielt auch eine zunehmend wichtige Rolle bei der Förderung von Diversität und Inklusion in Unternehmen. KI-basierte Tools können helfen, unbewusste Vorurteile im Einstellungsprozess zu identifizieren und zu minimieren, indem sie Entscheidungen auf Basis objektiver Daten treffen. Darüber hinaus können diese Systeme die Einhaltung von Diversitäts- und Inklusionsinitiativen überwachen und sicherstellen, dass alle Mitarbeitergruppen fair behandelt werden.
Herausforderungen und ethische Bedenken
Trotz aller Vorteile bringt der Einsatz von KI und Automatisierung im HR-Bereich auch Herausforderungen und ethische Bedenken mit sich. Es besteht die Sorge, dass der zunehmende Einsatz von Technologie zu einem Verlust des menschlichen Elements in HR-Prozessen führen könnte.
Kritiker argumentieren, dass bestimmte Aspekte des Personalwesens, wie die Beurteilung der kulturellen Passung oder die Handhabung sensibler Personalangelegenheiten, weiterhin ein menschliches Urteilsvermögen erfordern.
KI lebt von Daten — wie gehen Unternehmen damit um?
Jede KI ist nur so gut, wie die Daten, die ihr zu Grunde gelegt werden. So wird der Datenschutz für Unternehmen ein wichtiges Thema. Mit der zunehmenden Menge an gesammelten und analysierten Mitarbeiterdaten müssen Unternehmen sicherstellen, dass sie die Privatsphäre ihrer Beschäftigten respektieren und alle relevanten Datenschutzgesetze einhalten.
Empathie und kritisches Denken nicht zu ersetzen
Gleichzeitig wird es entscheidend sein, einen ausgewogenen Ansatz zu finden, der die Vorteile der Technologie nutzt, ohne dabei die menschliche Komponente zu vernachlässigen. Die Zukunft des Personalwesens liegt wahrscheinlich in einer Hybridlösung, bei der KI und Automatisierung die Arbeit von HR-Fachleuten unterstützen und ergänzen, anstatt sie zu ersetzen.
In einer sich technologisch schnell verändernden Landschaft wird es für HR-Fachleute entscheidend sein, technologisch versiert zu bleiben und gleichzeitig ihre einzigartig menschlichen Fähigkeiten wie Empathie, kreatives Denken und ethisches Urteilsvermögen zu bewahren.
Die digitale Revolution im Personalwesen verspricht nicht nur eine Effizienzsteigerung, sondern hat auch das Potenzial, die Arbeitserfahrung für Mitarbeiter auf allen Ebenen zu verbessern. Es liegt an den HR-Abteilungen und Unternehmensleitungen, diese Technologien verantwortungsvoll und effektiv einzusetzen, um sowohl den Geschäftserfolg als auch das Wohlbefinden der Mitarbeiter zu fördern.
(hhr)
